Speicherfarm auf dem Gelände des BMW-Werkes in Leipzig
06.06.2022 | Olaf Thiel

Altbatterien von E-Lkw: Nachhaltig in den Ruhestand

Wohin mit Altbatterien aus E-Lkw und -Transportern am Ende ihres Lebenszyklus? Für die Entsorgung sind sie jedenfalls viel zu schade.

Global stehen alle Verkehrszeichen auf E-Mobilität. Sie nimmt weltweit zügig Fahrt auf. So auch im Güterverkehr, vor allem bei den leicht- und mittelschweren Nutzfahrzeugen. Viele Elektro- und Hybrid-Nutzfahrzeuge ziehen ihre Kraft perspektivisch aus Batterien. Deren Lebensdauer nimmt jedoch im Laufe der Zeit ab. Leistung und Lebensdauer der Batterie sind nämlich abhängig von zahlreichen Faktoren. So zum Beispiel von der Häufigkeit des Auf- und Entladens, der Art des Ladevorgangs, der Fahrweise sowie von äußeren Einflüssen wie der Temperatur. Auf diese Weise altert jede Lithium-Ionen-Batterie und verliert an Speicherkapazität.

Fällt die Kapazität unter 80 Prozent, ist ihr „End of Life“ erreicht. Auch die Hersteller von Elektroautos nutzen diesen branchenweiten Grenzwert bei der Formulierung ihrer Batterie-Garantien. Um den sogenannten „State of Health“ einer Batterie zu ermitteln, gibt es unterschiedliche Ansätze. Die komplexe Messtechnik macht das Verfahren jedoch aufwendig. So hat der Zulieferer Bosch eine cloudbasierte Batterieüberwachung auf den Markt gebracht, die Akku-Daten sammelt und analysiert, die in Flotten anfallen. Auf dieser Basis sind präzise Vorhersagen zur Lebensdauer möglich. Und das Startup Twaice entwickelte eine Batterie-Analytiksoftware, um per Computersimulation die verbleibende Qualität gebrauchter Lithium-Ionen-Batterie zu errechnen. Damit kann man auch in die Zukunft schauen.

Wofür sich ausrangierte Altbatterien dann am besten eignen, dafür haben die Batterietechnologie-Experten der University of Warwick eine Klassifizierungsmethode entwickelt. Ob als Ersatzteillager, zur Second-Life-Nutzung oder für das Recycling, kann damit in wenigen Minuten bestimmt werden.

Zweites Leben für Altbatterien

Der Reihe nach: Was also mit Millionen alter Lithium-Ionen-Akkus anfangen? Ein weitverbreiteter Ansatz ist die „Second Life“-Anwendung. Dabei dienen Batterien als Speicher für erneuerbare Energien und zur Netzstabilisierung. Im stationären Betrieb werden die betagten Akkus deutlich weniger gestresst als im Verkehr. Denn dort werden sie bei Beschleunigung und Rekuperation, einem technischen Verfahren zur Rückgewinnung von Energie, ständig stark gefordert. Schon 2016 errichtete Daimler aus 1.000 Altbatterien des smart fortwo electric drive einen stationären Speicher und hat sich mit Batteriespeicherlösungen einen Namen gemacht. Die Tochter Mercedes-Benz Energy kooperiert mit der chinesischen BAIC Group, um solche „Second Life“-Energiespeicher mit ausgedienten Fahrzeugbatterien im Leitmarkt für Elektroautos salonfähig zu machen.

Konkurrent BMW, Bosch und Vattenfall erprobten gemeinsam bis Ende 2018 die Zweitverwertung von Batterien für einen Energiespeicher im Hamburger Hafen. Dazu wurden rund 2.600 Batteriemodule aus Fahrzeugen zu einem Stromspeicher zusammengeschaltet. Dieser verfügt über eine Speicherkapazität von 2.800 Kilowattstunden (kWh). Eingesetzt wird der Speicher, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Mit dieser Kapazität könnte ein durchschnittlicher Zwei-Personen-Haushalt sieben Monate lang mit Strom versorgt werden. An seinem Werk in Leipzig hat BMW einen stationären Strompuffer errichtet, der hauptsächlich aus 700 Alt-Akkus besteht. So will das Unternehmen den selbst erzeugten Solar- und Windstrom optimal in der Produktion einsetzen.

Als erstes Stadion der Welt sichert die Johan-Cruyff-Arena – Heimat des Fußballclubs Ajax Amsterdam – zukünftig ihre Energieversorgung durch ein Speichersystem aus neuen und gebrauchten Fahrzeugbatterien. Die Speicherkapazität von drei Megawatt kann theoretisch mehrere tausend Haushalte oder eine halbe Millionen iPhones für eine Stunde mit Strom versorgen. Auch in Schnellladestationen von VW finden gebrauchte Batterien als stationäres Speichersystem Eingang. Volvo wiederum nutzt die gebrauchten Batterien seiner E-Busse für Wohnhäuser im schwedischen Göteborg. Die Einsatzzwecke für alte Batterien sind vielfältig.

Recycling von Batterien: Neue Kraft aus alten Zellen

Wirtschaftlich bietet das „zweite Leben“ viel Potenzial, so das Ergebnis einer Studie des Beratungsunternehmens Berylls Strategy Advisors. Doch irgendwann geben auch die „wiederbelebten“ Altbatterien ihren Geist auf. Darum entwickeln und optimieren Unternehmen, Forschungsinstitute und Autohersteller effiziente Recyclingverfahren für Hochvolt-Akkus. Neben ökologischen gibt es dafür handfeste wirtschaftliche Gründe: In den Batterien befinden sich kostbare Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und seltene Erden. Bislang sammeln die meisten Hersteller ihre gebrauchten Batterien ein und geben sie an spezielle Recyclingunternehmen.

Gewinnung wiederverwendbarer Ausgangsstoffe

Der belgische Materialtechnologie- und Recyclingkonzern Umicore recycelt pro Jahr rund 7.000 Tonnen Lithium-Ionen-Akkus aus Smartphones, E-Bikes und Elektrofahrzeugen. Die Metalle lassen sich etwa dadurch zurückgewinnen, dass man die Batteriemodule, die das Zellmaterial enthalten, in einem Schmelzofen bei rund 1.400 Grad so lange erhitzt, bis die Metalle schmelzen und eine Legierung bilden. Aus der Schmelze werden Kobalt, Nickel und Kupfer anhand ihrer unterschiedlichen Schmelzpunkte und Dichten separiert und weiter aufbereitet. Hierdurch erreicht das Unternehmen eine Recyclingquote von 95 Prozent. In der Schlacke findet sich ebenso Lithium.

In Deutschland gibt es eine Handvoll Recyclingbetriebe für Altbatterien. So wird heute am Krefelder Standort der Firma Accurec die Hälfte aller europäischen Li-Batterieabfälle verwertet. Die Anlagen der Redux Recycling in Bremerhaven sind in der Lage, über 10.000 Tonnen Lithium-Ionen-Akkus pro Jahr zu recyceln. Die Rückgewinnungsquote erreicht 60 bis 70 Prozent. Das heißt, dieser Anteil von Ausgangsstoffen ist wiederverwendbar. Dabei werden u.a.  Kupfer, Aluminium, Kobalt, Mangan oder Nickel gewonnen.

Neben diesem Verfahren gibt es weitere Methoden: Zahlreiche Unternehmen der Fahrzeugindustrie adaptieren die Konzepte der Recyclingbetriebe. Der VW-Konzern zum Beispiel baute bei seinem Batteriewerk in Salzgitter eine Pilotanlage. Seit 2020 können hier Batterien recycelt werden – zunächst 1.200 Tonnen pro Jahr. Das entspricht 3.000 Fahrzeugbatterien. Dazu werden die einzelnen Bestandteile zunächst geschreddert, anschließend das Material getrocknet und gesiebt. In dem schwarzen Pulver sind die wertvollen Rohstoffe Nickel, Mangan, Kobalt und Lithium enthalten. Diese müssen dann nur noch einzeln getrennt werden. Danach stehen sie für die Produktion neuer Batterien sofort wieder zur Verfügung. Der Hersteller von Autos und Nutzfahrzeugen hat sich langfristig einem sehr ehrgeizigen Ziel verschrieben: 97 Prozent aller Rohstoffe sind zu recyceln.

 

 

 

 

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