Ein Oberleitungs-Lkw fährt auf einem eHighway auf einer öffentlichen Straße in Schweden
31.03.2021 | Olaf Thiel

Elektro-, Wasserstoff- oder Oberleitungs-Lkw – wer ist der klimafreundlichste?

Die neueste Teststrecke für Oberleitungs-Lkw in Baden-Württemberg wird Schauplatz eines Wettstreits klimafreundlicher Technologien.

Ab dem Frühjahr 2021 sind die ersten Oberleitungs-Lkw auf zwei Teilabschnitten der Bundesstraße 462 zwischen Kuppenheim und Gernsbach-Obertsrot in Baden-Württemberg unterwegs. Der rund 18 Kilometer lange eWayBW, von dem etwa vier Kilometer elektrifiziert sind, ist neben Testfeldern in Hessen und Niedersachsen der dritte seiner Art in Deutschland. Die Wahl fiel auf die B 462. Denn hier werden jährlich über 500.000 Tonnen Papier im Sieben-Tage-Betrieb von drei Papierherstellern in ein nahegelegenes Logistikzentrum transportiert.

Anders als die beiden Autobahnabschnitte in Hessen und Niedersachsen ist die neueste Pilotstrecke kurvig, bergig und verfügt über Tunnel und Brücken. Das hat auch den Aufbau der Infrastruktur erschwert. Entlang der Bundestraße waren spezielle Oberleitungsmasten erforderlich. Hier sollen fünf Oberleitungs-Hybrid-Lkw mit Diesel- und Elektroantrieb sowie ein Oberleitungs-Elektro-Lkw 128-mal täglich und das an 365 Tagen im Jahr verkehren. Das sind rund zehn Prozent des aktuellen Lkw-Verkehrs vor Ort. Dabei werden wertvolle Daten gesammelt: Wie viel CO2 kann tatsächlich eingespart werden? Wie verhalten sich die Lkw bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen? Was passiert, wenn mehrere Lkw gleichzeitig die Oberleitung nutzen? Mit repräsentativen Ergebnissen ist in drei Jahren zu rechnen.

E-Highway in Betrieb

Im Juni 2016 ging der erste E-Highway auf einer öffentlichen Straße in Schweden in Betrieb. Copyright: Scania CV AB

Prinzip Oberleitungs-Lkw

Mit Hybridtechnik und intelligenten Stromabnehmern ausgerüstete Lkw können aus Oberleitungen elektrische Energie beziehen. Dadurch fahren sie emissionsfrei. Die Technik für die Stromzufuhr ist im Prinzip einfach: Mittels Sensoren erkennt der Lkw, wenn er sich unter der Oberleitung befindet. Dann leuchtet auf der Armaturentafel ein grünes Lämpchen auf und der, auch Pantograf genannte, Stromabnehmer fährt automatisch aus. Dieser stellt den Kontakt zwischen Strom und Elektromotor des Lastkraftwagens her. Der Verbrennungsmotor geht aus und der Lkw klingt ein wenig wie eine Straßenbahn. Endet die Oberleitung oder will ein Lkw überholen, können die Fahrzeuge wieder auf Normalbetrieb umschalten oder der Akku für den Elektroantrieb springt an. Der Strom in den Oberleitungen stammt aus dezentralen Unterwerken, die sich an der Strecke befinden. Sie wandeln den Drehstrom aus dem öffentlichen Energieversorgungsnetz in Gleichstrom mit rund 600 Volt um. Dieser wird in die Oberleitungen gespeist. Andere Fahrzeuge können den Fahrstreifen unter der Oberleitung wie gewohnt nutzen.

Das Öko-Institut hat gemeinsam mit der Hochschule Heilbronn, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Unternehmensberatung Intraplan Consult die Potenziale des Oberleitungs-Lkw-Systems in einer Studie analysiert. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass ein Oberleitungs-Lkw bereits im Jahr 2025 über einen Nutzungszeitraum von fünf Jahren die Emissionen im Vergleich zu einem heutigen Diesel-Lkw nahezu halbieren kann. Bis zum Jahr 2030 steigt dieser Vorteil im Zuge des deutschen Kohleausstiegs auf 60 Prozent an. Auf dieser Grundlage kommen die Forscher zu der Erkenntnis, dass der batterieelektrische oder oberleitungsgebundene Lkw mit einem Wirkungsgrad von 73 Prozent verglichen gegenüber Brennstoffzellen (31 Prozent) und Diesel (21 Prozent) das höchste Potenzial zur Treibhausgasminderung im Güterverkehr hat. Ein schneller Ausbau könnte dem Öko-Institut zufolge im Fernverkehr bis zum Jahr 2040 neun bis zwölf Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht mehr als einem Drittel der heutigen Emissionen des schweren Straßengüterverkehrs.

Wettbewerb der besonderen Art

Ob der Vorteil gegenüber der Brennstoffzelle wirklich besteht, soll ein innovatives Experiment auf der Teststrecke klären: Dafür setzt das Land auf einen Wasserstoff-Lkw vom Typ „Nikola TRE“ des Herstellers Iveco. Ab 2022 soll der Truck die Flotte ergänzen. Der Lkw basiert auf dem dieselbetriebenen Sattelschlepper Iveco S-Way. Er wird mit einer Brennstoffzelle von Bosch und der Nikola Motor Company ausgestattet.

Das Prinzip: Wasserstoff und Sauerstoff werden in Verbindung gebracht. Durch die chemische Reaktion wird elektrische Energie freigesetzt, die in das Hochvoltnetz des Lkw fließt. Mit dem sind die E-Motoren und die Batterie verbunden. So kann die Brennstoffzelle den Antrieb direkt mit Leistung versorgen und gleichzeitig die Batterie aufladen. Statt CO2 und Ruß fließt beim Wasserstoff-Lkw lediglich Wasser aus dem Auspuff. Mit dem eActros Longhaul von Mercedes-Benz steigt obendrein auch noch ein batterieelektrischer Lastkraftwagen in den Wettstreit. Der erste elektrische Vierzigtonner aus Stuttgart schafft eine Reichweite von 500 Kilometern.

Mercedes-Benz eActros LongHaul - Der rein batterieelektrisch angetriebene Fernverkehrs-Lkw

Der eActros LongHaul von Mercedes-Benz soll ab Mitte des Jahrzehnts regelmäßige Fahrten auf planbaren Routen energieeffizient abdecken. Copyright: Daimler

Für den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann ist das innovative Lkw-Ensemble viel Grund zur Freude: „Mit der Einbindung eines Wasserstoff-/Brennstoffzellen-Lkw im Projekt eWayBW ist es gelungen, die erfolgsversprechenden alternativen Antriebstechnologien für schwere Nutzfahrzeuge in einem Projekt zu vereinen. Nun besteht die Chance, sie im Realbetrieb direkt miteinander zu vergleichen. Oberleitung, Brennstoffzellen/Wasserstoff, batterieelektrische Antriebe und Hybride mit reFuels – das ist einzigartig, weltweit!“

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