Der Hyperloop in einer Landschaft mit grüner Wiese und Bäumen, im Hintergrund sind Berge
23.11.2020 | Olaf Thiel

Hyperloop – Zukunft kommt in der Logistik an

Menschen und Fracht mit über 1.000 Kilometern pro Stunde von A nach B zu transportieren – das soll eines Tages mit dem Hyperloop Wirklichkeit werden. Die Hoffnungen sind groß: Schneller und nachhaltiger als herkömmliche Transportmittel wie der Lkw oder das Frachtflugzeug soll der Hyperloop sein.

Die Technologie klingt recht simpel: Eine Kapsel – auch Pod genannt – gleitet kilometerlang geräuschlos und ohne Turbulenzen durch eine Röhre bei einer Geschwindigkeit von rund 1.000 km/h. An der Spitze der Kapsel sitzt ähnlich wie in einem Flugzeug eine Turbine mit einem Elektromotor. Die saugt die vor der Kabine anstauende Luft ab und presst sie unter die Kapsel. Alternativ halten elektromagnetische Kräfte den Pod in der Schwebe. Das Design der Kapsel ist dafür röhrenförmig. Und ein Hyperloop muss nicht zwangsläufig unterirdisch verlaufen, sondern kann auch an der Oberfläche auf Stelzen fahren.

Die Hyperloop-Technologie ist für Mittelstrecken ausgelegt, womit sich deutliche Vorteile gegenüber Zug und Flugzeug realisieren lassen. Besonders vorteilhaft sind Verbindungen von 300 Kilometer bis 1.500 Kilometer. Mit dieser Hightech-Technologie würde beispielsweise die Reise von Berlin nach München gerade einmal 30 Minuten dauern. Zum Vergleich: Ein ICE braucht für dieselbe Tour rund vier Stunden. Der Energieverbrauch soll dank Rückgewinnungsmechanismen gering sein. Zudem setzen die Entwickler auf Solarenergie.

Hyperloop-Industrie entstanden

Was sehr futuristisch wirkt, hat bereits eine lange Vorgeschichte. Das Konzept wurde Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals vom Brite George Medhurst skizziert: Eine Kapsel mit Personen oder Gütern an Bord saust mit Unterdruck durch eine unterirdische Röhre. So wie die gute alte Rohrpost. Immer wieder wurde die Idee aufgegriffen und mit neuen Technologien wie der Magnetschwebetechnik in Verbindung gebracht. Erst das „Enfant terrible“ des Silicon Valley – Tesla-Motors-Chef Elon Musk – hat das Thema wieder salonfähig gemacht. Der kalifornische Milliardär postete 2013 ein Konzeptpapier zum Hyperloop und schwärmte vom „5. Transportmittel“ nach Auto, Schiff, Zug und Flugzeug.

Der Hyperloop: Ein Röhrensystem auf Stelzen durchzieht die deutsche Landschaft.

Der Hyperloop der TU München soll überirdisch für ein neues Reiseerlebnis sorgen. Foto: TU München

Seitdem ist die Transportalternative in aller Munde und sogar eine kleine Industrie daraus entstanden. So liefern sich Universitäten in den USA und Europa sowie Start-ups wie Hyperloop Transportation Technologies, Tripod, Virigin Hyperloop One, Zeleros, rLoop und Arrivo ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Gunst von Investoren und den Bau erster Teststrecken. Einige davon sind auch schon wieder von der Bildfläche verschwunden. Immer wieder wurden Prototypen und erste Strecken proklamiert. Geschehen ist nicht viel. Nun gibt es einen ersten Fortschritt: Das Start-up Virgin Hyperloop des Milliardärs Richard Branson schickte im November die ersten zwei Passagiere durch eine zehn Kilometer lange Teströhre im US-Bundesstaat Nevada. 6,3 Sekunden dauerte die Jungfernfahrt bei einer Geschwindigkeit von 172 km/h. Das Unternehmen hatte zuvor rund 400 unbemannte Fahrten durchgeführt. Bis zum Jahr 2025 strebt es die Zertifizierung an. Der kommerzielle Betrieb ist für 2030 geplant.

Viele Fragen bleiben offen

Die erste Testanlage Europas wurde auf dem Campus der Technischen Universität Delft in den Niederlanden gebaut. Das erste, 3.000 m lange, Hyperloop-Testzentrum soll bis 2022 in der Provinz Groningen entstehen. Auf Jahreszahlen beim Thema Hyperloop sollte man sich jedoch nicht verlassen. Zu oft wurden Prognosen wieder einkassiert oder Projekte eingestellt. Denn der Hyperloop wirft nach erster Euphorie zunehmend Fragen auf. Viele Fragen zur Technik, Physik, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sind einfach noch unbeantwortet. In Europa mit einem weitverzweigten Schienennetz erkennen Experten schlichtweg keinen Nutzen dafür. Und überirdische Röhrensysteme müssen erstmal von der Bevölkerung akzeptiert werden.

Unterirdische Röhren hingegen sind kostspielig zu bauen. Überhaupt ist die Röhrenkonstruktion die größte Herausforderung. Wie bei Brücken kommt es bei starken Temperaturschwankungen in den Winter- und Sommermonaten zu Ausdehnungen und Zusammenziehen der Konstruktion. Eine weitere Herkulesaufgabe ist in den langen Röhrenabschnitten ein konstantes Vakuum aufrecht zu erhalten. Und in der Kapsel braucht es den richtigen Innendruck für Passagiere und bei bestimmter Fracht. Und dann sei da auch noch das Risiko von Sabotage oder Unfällen.

Deutsche Universität stellt Rekord auf

Elon Musk selbst hat die Boring Company ins Leben gerufen. Allerdings verfolgt der Gründer mit Tunnelbohrunternehmen ein etwas anderes Konzept: Er will Städte mit schmalen Tunneln durchziehen. Fahrstühle würden Elektrofahrzeuge von der Straße in die Röhren befördern, wo sie auf selbstfahrenden Plattformen mit bis zu 200 Kilometer pro Stunde durch den Untergrund jagen. In Sachen Hyperloop hat der Unternehmer die „SpaceX Hyperloop Pod Competition“ ins Leben, um die Erforschung weiter zu befördern: Studierendenteams aus aller Welt sind einmal im Jahr aufgerufen, ihre Prototypen für Transportkapseln in einer Vakuumröhre gegeneinander antreten zu lassen. Der Schnellste gewinnt. Aufgrund von der Corona-Krise gab es in diesem Jahr keine Wiederauflage des Wettbewerbs.

Grafische Darstellung des Hochgeschwindigkeitszuges Hyperloop, der durch ein Röhrensystem fährt.

Ein Blick in die Röhre: Der Hochgeschwindigkeitszug im Hyperloop-System. Quelle: TU München

Über die Jahre hinweg konnte sich eine studentische Initiative der TU München gegen die internationale Konkurrenz renommierter Universitäten durchsetzen. Zuletzt gewann das Team im Juli 2019 zum vierten Mal in Folge die Trophäe und überbot dabei mit 482 km/h seinen eigenen Geschwindigkeitsrekord. Nun ist ein universitäres Spin-off entstanden, das mit Fördergeldern untersucht, wie der Hyperloop ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Transportmittel der Zukunft werden kann. An der Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie der TUM wurde dafür das Hyperloop-Forschungsprogramm ins Leben gerufen. Gefördert wird es aus Mitteln der Hightech Agenda Bayern der Bayerischen Staatsregierung. In einer ersten Phase, die über zwei Jahre läuft, werden zunächst Systemanalysen durchgeführt, um die Machbarkeit und das Potential des Konzepts in Europa zu untersuchen, sowie Hyperloop-relevante Technologien entwickelt und erprobt.

Unter anderem wollen die Münchener Jungwissenschaftler ein Schwebesystem für den Pod, eine Prototyp-Kapsel im Maßstab 1:1 sowie den Prototyp einer Teströhre aus ultrahochfestem Beton entwickeln.

Hamburger Hafen baut Teststrecke

Auch Logistikunternehmen wagen erste Schritte. Die Hamburger Hafen und Logistik AG hat gemeinsam mit Hyperloop Transportation Technologies das Joint Venture Hyperport Cargo Solutions gegründet. Ziel ist ein neues Transportsystem für Container zu entwickeln, um die Intralogistik im Hafengebiet zu vereinfachen und zu beschleunigen. Mit dem Hyperloop könnten Container direkt zu einer Station verfrachtet werden, von wo aus sie in den Röhren zu Lagern im Umland abtransportiert werden – und umgekehrt. Das würde zu einer Entlastung in den Häfen führen und den Lkw-Verkehr rund um die Elbe erheblich reduzieren. Für den größten deutschen Hafen gehen die Beteiligten davon aus, dass sich mit einem flächendeckenden System mehr als 4.000 Container täglich transportieren lassen. In einem ersten Schritt entsteht zu Testzwecken am Containerterminal Altenwerder derzeit ein virtueller Demonstrator, zudem soll eine Transportkapsel für Standardseecontainer entwickelt werden.

Der Hamburger Hafen mit Containern und Umladekränen.

Container sollen zukünftig in der Röhre transortiert werden. Foto: HHLA / Thies Rätzke

Schweiz entwirft Gegenmodell

In Teilen der Schweiz soll der Lieferverkehr des Alpenstaats ebenfalls in Röhren bzw. unter die Erde verlagert werden. Das Privatunternehmen Cargo Sous Terrain plant, 40 Prozent des Güterverkehrs von der Straße in ein Tunnelnetz zu verlagern. In Röhren, 50 Meter unter der Erde, sind rund um die Uhr selbstfahrende, unbemannte Transportfahrzeuge unterwegs. Diese können an dafür vorgesehenen Rampen oder Lifts automatisch Ladungen aufnehmen und abgeben. Statt Container sollen Europaletten und kleinere Standardbehälter mit Gütern, Frisch- und Kühlwaren sowie Abfällen die Röhren passieren.

Herzstück des Systems sind Logistikhubs in größeren Städten sowie direkt angeschlossene Logistikzentren von Großhändlern. Eine Teilstrecke mit zehn Hubs soll ab 2031 den Raum Härkingen-Niederbipp mit Zürich verbinden. Bis 2050 soll der Bau mit einer Gesamtlänge von dann 500 Kilometern vom Genfer See bis zum Bodensee mit Ablegern nach Basel, Luzern und Thun erfolgen. Allerdings weicht das Konzept vom Hyperloop entschieden ab. Die Fahrzeuge fahren über einen elektrischen Antrieb mit Induktionsschienen auf Rädern. Die Gesamtkosten allein für den Bau der ersten Transportstrecke sind vergleichbar mit Schätzungen zum Hyperloop. Inklusive der oberirdischen Fahrzeuge für die City-Logistik sind rund 2,8 Milliarden Euro veranschlagt.

Die Visionen rund um Hyperloop und Co. werden konkreter – die Zukunft der Logistik rückt ein Stückchen näher. Nach wie vor gibt es allerdings zahlreiche Kritiker, die an der technischen Machbarkeit des Hyperloops zweifeln. Es bleibt abzuwarten, welche Idee des neuen Transportes sich durchsetzen kann und mehr wäre als reine Zukunftsmusik.

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