Von Fahrerkabinen zu Hightech-Cockpits
09.07.2021 | Olaf Thiel

Von schlichten Fahrerkabinen zu Hightech-Cockpits

Das Reich der Fahrer*innen hat sich im Laufe der Jahrzehnte mehr als gewandelt. An den digitalen Cockpits der neuesten Lkw-Generation lässt sich der technische Fortschritt ablesen.

Optimale Ergonomie, individueller Bedienkomfort und digitale Lösungen machen aus dem einstigen Kutschbock eine Highend-Kabine auf Rädern.

Einfacher Sitz, großes Lenkrad ohne Funktionen, wenige Schalter, analoge Anzeige – so sahen lange Zeit die Cockpits in Lkw aus. Während in Autos nach und nach immer mehr Technik, Assistenzsysteme und Komfort im Interieur Einzug hielten, blieb es im Lkw weitestgehend spartanisch. Der richtige Modernisierungsschub kam erst in den 2000er-Jahren: Das Lenkrad bekam einen Airbag eingebaut. Multifunktionssitze und individuelle Bedienfunktionen steigerten den Komfort. Zusätzlich hauchten digitale Displays dem Armaturenbrett mehr Leben ein. Die Designer großer Hersteller wie Daimler, MAN oder Volvo entwickeln das Cockpit heute gänzlich aus der Fahrerperspektive – intuitiv bedienbar, ergonomisch und ausgestattet mit vielen elektronischen Helferlein für angenehme Arbeits- und Fahrbedingungen. Denn Lkw-Fahrer*innen sitzen nicht nur viele Stunden am Tag hinter dem Lenkrad, sondern verbringen nach der Arbeit oder zwischen den Lenkzeiten ihre Pausen im Fahrzeug.

Interieur des Cockpits wie in einem Oberklassewagen

In der aktuellen Actros-Generation finden Fahrer*innen zwei hochauflösende Bildschirme, die die klassische Instrumententafel ersetzen. Dabei können sie die Anordnung der Displays mit Navigationssystem und Verkehrszeichen-Assistent individuell konfigurieren. Einer davon ist ein Touchscreen und lässt sich wie ein Smartphone bedienen. Ein Soundsystem bietet ein Klangerlebnis im Dolby-Digital-5.1-Format. Freisprechen und Audio-Streaming sowie das komfortable Abrufen von Apple CarPlay gehören zur Ausstattung. Mit dem Multifunktionslenkrad können unterschiedlichste Fahrzeugsysteme und -funktionen per Wischen und Drücken bedient und Informationen abgerufen werden. Der optional erhältliche, klimatisierte Fahrersitz sorgt für ein Plus an Komfort. Neben dem Innenlicht zur kompletten Ausleuchtung des Fahrerhauses und zwei Lesespots umfasst das System zur besseren Orientierung nachts auch ein blaues Fahrlicht. Statt den üblichen Außenspiegeln ist der Actros mit kleinen stromlinienförmigen Kameraarmen versehen, die links und rechts am Dachrahmen verbaut sind. Die von den zwei Kameras übertragenen Bilder werden auf Monitore im Fahrerhaus übertragen, die an der A-Säule befestigt sind. Dabei zeigen sie nicht nur den rückwärtigen Verkehr, sondern unterstützen beim Überholen, bei Kurvenfahrten und Rangiermanövern.

Blick ins Cockpit des neuen Actros

Blick ins Hightech-Cockpit des neuen Actros. Copyright: Daimler

Von Fahrer*innen für Fahrer*innen

Schon bei der nächsten Generation von Lkw werden die Sicherheits- und Assistenzsysteme einen noch größeren Funktionsumfang besitzen. Fahrer*innen werden in Zukunft die Möglichkeit haben, Anzeigen und Bedienelemente noch individueller zu konfigurieren. Bei Flottenfahrzeugen werden sich alle Fahrer*innen ihr individuelles Profil abspeichern und bei erneuter Benutzung aufrufen können. Auch die neue Lkw-Generation von MAN punktet mit einem Mehr an Komfort und digitalen Angeboten für den Arbeitsalltag der Fahrer*innen. Die zehnjährige Entwicklung der Münchener hat über 700 Testanwender eingebunden, um die optimale Kabine zu kreieren – von Fahrer*innen für Fahrer*innen. Zwölf Millionen Arbeitsstunden von über 2.000 Mitarbeitenden, vier Millionen gefahrene Testkilometer und fast drei Millionen geschriebene Zeilen Softwarecode wurden in das Mammutprojekt investiert. Die Entwickler fuhren selbst Raststätten an, sprachen mit Lkw-Fahrer*innen, ließen sich Cockpits und selbst gebastelte Lösungen zeigen.

Blick ins Cockpit des neuen MAN Trucks aus der TG-Baureihe

Das neue Cockpit der MAN TG-Baureihe mit volldigitalem Kombiinstrument, Multifunktionslenkrad, Mediasystem, Schalter- und Tastenfelder und MAN SmartSelect. Copyright: MAN

Displays bilden das Zentrum des Cockpits

Und diesen Aufwand sieht man dem Fahrzeug an: Die Bedienelemente sind komfortabel und ohne Verlagerung aus der Sitzposition erreichbar. Wie beim Actros bilden Displays das Zentrum des Cockpits. Tachometer und Drehzahlmesser sind nur noch virtuell zu sehen. Mit dem ergonomisch geformten Lenkstockschalter bedienen Fahrer*innen zudem automatisierte Fahrprogramme. Denn die bisherigen Getriebeschaltprogramme wurden weiterentwickelt. LED-Warnleuchten an der A-Säule warnen in mehreren Stufen, ob sich Radfahrer oder Fußgänger beim Abbiegen nähern. Hinzu kommt ein akustischer Warnton. Über das Kombiinstrument lässt sich der Lenkzeitassistent aufrufen, der die Ergebnisse des digitalen Fahrtenschreibers aufbereitet. Per Knopfdruck können sich Fahrer*innen beispielsweise informieren, wie lange die gesetzlich vorgeschriebene Pause noch dauert und wann sie die maximale Lenkzeit erreichen. Außerdem lassen sich im Wohnbereich alle relevanten Funktionen steuern: Radio, Licht und Wecker ebenso wie Schiebedach, Zentralverriegelung und Standklimatisierung.

Vielseitig, geräumig, agil und sicher unterwegs

Mehr Platz und verbesserte Sicht im Cockpit des neuen Volvo FM und Volvo FMX

Mehr Platz und verbesserte Sicht im Cockpit des neuen Volvo FM und Volvo FMX. Copyright: Volvo Trucks

Auch die neue Volvo FM-Baureihe aus 2020 fokussiert sich mit dem überarbeiteten Innenraum auf die Bedürfnisse der Fahrer*innen. Das Fahrerhaus ist einen Kubikmeter größer als der Vorgänger. Das verleiht dem Nutzfahrzeug ein geräumigeres Gefühl und einen größeren Arbeitsraum mit einer verbesserten Sicht. Den Mittelpunkt des Arbeitsbereichs bildet das Armaturenbrett mit einer volldigitalen, hochauflösenden Anzeige.

Die Funktionen lassen sich wahlweise per Sprachbedienung steuern. Mithilfe von Alexa können Fahrer*innen zudem Wegbeschreibungen abrufen, Anrufe tätigen oder Nachrichten hören. Eine Beladungsanzeige ermöglicht die Kontrolle des Ladungsgewichts, des Gesamtgewichts des Fahrzeugs und des Achsdrucks pro Achse in Echtzeit. Für das fahrerzentrierte Design hat Volvo in diesem Jahr sogar den renommierten Red Dot Award gewonnen.

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