17.01.2017 | Olaf Thiel

Auf dem letzten Kilometer – Zukunft der Paketzustelldienste

Seitdem der Internethandel boomt, wachsen die Paketzustelldienste unaufhörlich. Aufgrund der immer größeren Belastungen erprobt die Branche neue Zustellformen.

Im Jahr 2016 wurden laut dem Bundesverband für Paket und Expresslogistik im Vergleich zu 2015 täglich über 500.000 Sendungen mehr auf bundesdeutschen Straßen transportiert. Ein Grund dafür ist sicherlich auch die Ausweitung der mobilen Kommunikation. Was früher per Mausklick vom heimischen Computer aus bestellt wurde, wird heute vermehrt von unterwegs mit dem Smartphone gekauft. Infolge dieses Trends müssen die Paketzustelldienste nicht nur ihre Kapazitäten ausbauen. Sie müssen auch mit neuen Möglichkeiten der Zustellung die Wünsche einer immer anspruchsvolleren Klientel bedienen. Der Kunde kann heute schon den Ort selbst bestimmen, an dem sein Paket abgeliefert wird: ob zu Hause, im Büro, beim Nachbarn, in einer Packstation oder im Paketshop. Und das alles bei Bedarf in einem festen Zeitfenster und per Änderung in Echtzeit – noch nie war die Anlieferung so flexibel.

Die Digitalisierung macht’s möglich. Und es kommen ständig neue Formen dazu: Seit neuestem ist auch der Kofferraum im Fokus. Gemeinsam mit dem Autohersteller Audi und dem E-Commerce-Unternehmen Amazon erprobt die Deutsche Post derzeit den mobilen Zustellpunkt im Fahrzeug. Die Post bietet außerdem ihren Kunden geräumige Paketkästen für zu Hause, um die Zustellproblematik bei Abwesenheit des Adressaten zu umgehen. Die Telekom vermarktet den Konkurrenten Paketbutler – eine abschließbare Tasche, die an der Wohnungstür befestigt wird.

Enorme Herausforderungen für Paketzustelldienste

Doch die stetig zunehmende Paketflut bringt auch Probleme mit sich. Vor allem in großen Ballungsgebieten wie Berlin oder Hamburg wird der Innenstadtverkehr durch die wachsenden Flotten der Paketzustelldienste von DHL & Co. belastet. Zugleich steigt der CO2-Gehalt. Laut der McKinsey-Studie „Parcel delivery. The Future of Last Mile“ wird sich die Zustellung des Pakets direkt an die Haustür bis 2025 in Deutschland mit schätzungsweise fünf Milliarden Paketen im Jahr nahezu verdoppeln. Somit stehen Paketdienstleister vor immensen Herausforderungen. Autonome Lieferformen sollen in Zukunft ermöglichen, einen Teil der Pakete mit einem nie gekannten Maß an Flexibilität zuzustellen und die Effizienz bei der Zustellung deutlich zu erhöhen.

Pakettransport per Drohne

Zur spektakulärsten autonomen Zustellform gehört die Paketdrohne. Die Deutsche Post testet seit 2013 mehrere Entwicklungen.

Paketzustelldienste steigen auf Flugobjekte um

Paketkopter holt in Reit im Winkel die Pakete ab.
Foto: Andreas Heddergott/dhl

Im oberbayerischen Landkreis Traunstein flog der sogenannte Paketkopter der dritten Generation mit einer Reisegeschwindigkeit von 70 km/h autonom von einer Packstation im Tal auf die Winklmoosalm in rund 1.200 Meter Höhe.

Der Flugkörper wurde von der RHTW Aachen entwickelt und soll die Infrastruktur für schwer zugängliche Gebiete wie Bergregionen oder Inseln verbessern. Er soll aber keinesfalls die Regelzustellung übernehmen.

Der Paketkopter ist ein sogenannter Kippflügler, der wie ein Hubschrauber startet, dann aber wie ein Flugzeug weiterfliegt. Nicht nur der Transport erfolgt vollautomatisch, sondern auch die Be- und Entladung der speziell entwickelten Packstation. Langfristig soll das Konzept auch im urbanen Raum erprobt werden.

Ein ähnliches Modell mit einem Lieferterminal setzt der Wettbewerber DPD seit Dezember für ein abgelegenes Gewerbeareal in der südfranzösischen Provence ein.

Die Paketdrohne von DPD. Foto: DPD

Dort hat die französische Generaldirektion für zivile Luftfahrt dem Konzern die Erlaubnis für eine dauerhafte Drohnenzustellung erteilt. In Deutschland ist der Betrieb bislang im Testverfahren. Ein gesetzlicher Rahmen für den Einsatz autonomer Drohnen fehlt derzeit noch.

Zustellung per Roboter

Das gilt ebenfalls für den autonomen Paketroboter. Gemeint sind Roboter wie der „6D9“. Der Paketdienst Hermes testet aktuell autonom fahrende Zustellroboter. Dazu sind neben einer GPS-Satellitennavigation neun Kameras an Bord des Roboters, die ständig die Umgebung erfassen und so die Daten für eine dreidimensionale Karte liefern. Der sechsrädrige Transporter ist bis zu sechs Stundenkilometer schnell und hat einen 30 Zentimeter kurzen Bremsweg. Angekommen beim Empfänger, öffnet ihn dieser über eine App. Der Roboter soll in Städten künftig autonom Waren in einem Radius von bis zu fünf Kilometern von einer Basisstation ausliefern.

Der Zustellroboter Starship Delivery Robot wird derzeit von Hermes eingesetzt. Foto: Hermes

Für die Testphase geht aufgrund behördlicher Auflagen noch ein Betreuer des Herstellers Starship neben dem Vehikel her. Derzeit werden die kleinen Zustellroboter in Hamburg und Düsseldorf eingesetzt und erprobt. Die Betreiber versprechen sich mithilfe des Roboters eine Zustellquote von 100 Prozent. Denn zurzeit fährt der Paketzusteller oft noch auf gut Glück zum Empfänger. Bei Robotern ist das umgekehrt: Sie stehen auf Abruf für den Kunden bereits, der sie jederzeit steuern kann. Laut der ZF-Studie „Letzte Meile“ könnten hierzulande bis 2030 bis zu 400 Millionen Paketzustellungen im Jahr per Transportroboter  erfolgen.

„Vision Van“ von Daimler

Doch bis es soweit ist, werden weiterhin Paketboten die größte Last tragen. Wenn es nach Daimler geht, haben sie es jedoch bald leichter. Der Fahrzeughersteller präsentierte auf der IAA in Hannover mit dem „Vision Van“ seine Vorstellung der Zukunft des Nahtransporters. Dieser fährt nicht nur elektrisch mit einer Reichweite von bis zu 270 Kilometern, sondern nimmt dem Fahrer auch einen großen Teil der Arbeit ab. Das fängt schon im Hub an: Statt alle Sendungen einzeln und händisch in den Transporter zu verfrachten, wird ein fertig bestücktes Regal auf die Ladefläche geschoben.

So entfällt das Gros der Zeit für die Beladung. Und vor Ort bei der Kundschaft muss der Fahrer künftig nicht mehr alle Pakete selbst ausliefern. Der „Vision Van“ verfügt über Drohnen, die ihre Frachtbox dem Empfänger automatisch zustellen und danach wieder zurückkehren. Vorbei auch das Suchen der Pakete auf der Ladefläche: Ein Roboterarm reicht dem Zusteller das zur Adresse passende Päckchen durch einen Ausgabeschacht in der Fahrerkabine. So soll jeder Stopp um 30 Sekunden verkürzt werden. Das wäre für die Paketunternehmen ein gewaltiger Effizienzgewinn.

 

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