Von Natrium-Ionen-Akku bis zum Feststoffspeicher: Futuristische Batteriefabrik
20.03.2024 | Olaf Thiel

Stromspeicher für morgen: Warum die neuen Batterien (auch) in Europa gebaut werden

Ohne Batteriespeicher wäre unser Leben mit Smartphones und anderen elektronischen Gadgets nicht denkbar. Auch die Antriebswende hin zur Elektromobilität basiert auf immer leistungsstärkeren Akkus. Doch wer bestimmt, welche Technik sich durchsetzt? Von Natrium-Ionen-Akku bis zum Feststoffspeicher: Wie gut, dass die neuesten Generationen von Stromspeichern (auch) hier in Europa gebaut werden.

Natrium-Ionen-Speicher aus Schleswig-Holstein

Heide in Schleswig-Holstein ist den wenigsten Menschen in Deutschland ein Begriff. Und wenn, dann meist nur, weil man auf dem Weg nach Sylt eventuell an Heide vorbeikommt. Seit Kurzem verbindet man mit der Mittelstadt in Nordfriesland jedoch auch die Zukunft von Stromspeichern, denn der schwedische Konzern Northvolt baut hier bis 2025 für mehr als 4 Mrd. Euro eine Gigafactory für E-Auto-Batterien einschließlich Recyclinganlage. Abgesehen von den vielen Arbeitsplätzen, die dort entstehen sollen, geht es um einen wichtigen Aspekt: Souveränität. Die Schlüsseltechnologie bei der Nutzung von erneuerbarer Energie soll verstärkt in Europa entwickelt werden, die Wertschöpfung soll hier stattfinden. Dazu passend entwickelt das schwedische Unternehmen, das erst 2017 gegründet wurde und an dem u. a. Volkswagen beteiligt ist, erste Natrium-Ionen-Speicher. Sie sollen das ebenso seltene wie begehrte Lithium mittelfristig ersetzen.

Laut Peter Carlsson, CEO und Co-Founder von Northvolt, werden Natrium-Ionen-Speicher der Schlüssel zum Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele sein. Mit diesem Anspruch ist er nicht allein. Denn Natrium-Ionen-Speicher kommen nicht nur ohne seltene Erden aus – sie hinterlassen bei der Produktion einen viel niedrigeren CO2-Fußabdruck als herkömmliche Batteriezellen, sind dazu noch billiger herzustellen und durch eine andere Zellchemie besonders robust und einfach zu handhaben. Zudem performen sie im Winter besser. Auf der Negativseite steht (bislang) nur die geringere Energiedichte.

 

Frankreich als Produktionsstandort attraktiv

Auch im nordfranzösischen Amiens soll eine Fabrik für Natrium-Ionen-Batterien gebaut werden. Die Technologie kommt in Form des Unternehmens Tiamat zwar aus Frankreich. Die Ausgründung aus der renommierten Forschungseinrichtung Centre national de la recherche scientifique (CNRS) hat nach eigenen Angaben die Grundlagen für den Natrium-Ionen-Speicher gelegt. Die Produktion in Amiens jedoch ist eine Kooperation mit dem chinesischen Technologie-Unternehmen LEAD Intelligent Equipment. Chinesische Firmen sind nämlich bereits mit ihren Produkten auf dem Markt. Natrium-Ionen-Speicher wurden bereits Ende 2023 in den ersten Elektroautos aus chinesischer Produktion verbaut. Auch hier ist Volkswagen mit im Geschäft. Europas größter Automobilhersteller hält am Mutterunternehmen von Yiwei 50%. Aber auf dem Auto prangt ein Markenname aus China.

Die Frage ist deshalb: Kann Europa mithalten, oder übernimmt China die Führung und hängt die europäischen Hersteller dank günstigem Industriestrom und niedrigeren Arbeitskosten auch bei diesem Batterietyp ab? Schließlich kontrolliert das Land nicht nur den größten Teil der weltweiten Lithium-Reserven, sondern ist auch führend in der Verarbeitung und Produktion von Lithium-Ionen-Batterien.

Feststoffbatterien als Game-Changer?

Vielleicht kann die Feststoffbatterie dieses Hase-Igel-Spiel beenden. Oder die Verhältnisse zumindest umkehren. Bei Feststoffbatterien werden die flüssigen Elektrolyte, die die elektrische Ladung leiten, durch feste Stoffe ersetzt. Der taiwanesische Feststoff-Batteriezellhersteller ProLogium plant aktuell in Dunkerque einen neuen Produktionsstandort für die Lithium-Keramik-Batterie (kurz: LLCB). Durch die reduzierte Anzahl von Zellen aus keramischen Festkörperelektrolyten erfordert der Produktionsprozess weniger Rohstoffe und erzeugt weniger Abfall vonseiten der Trägermaterialien. Die so fast doppelt so hohe Energiedichte gegenüber anderen Speichern führt zu weniger Gewicht und Größe bei gleicher Leistung.

Noch ist die Fabrik nicht in Betrieb, aber in Taiwan hat die erste Fabrik bereits eröffnet. Vorerst als Demobetrieb. Aber Europa wäre hier nur die verlängerte Werkbank asiatischer Unternehmen.

Zürich forscht ebenfalls an Feststoffbatterien

Auch in Zürich wird an Feststoffbatterien geforscht – auf Lithium-Ionen-Basis. Batterien aus Lithium-Lanthan-Zirkon-Oxid sollen im Dünnschichtverfahren für mehr Leistung auf kleinerer Fläche sorgen. Aus dem gleichen Forschungsumfeld, das dazu die technischen Grundlagen geliefert hat, kommen noch weitere Ideen für revolutionäre Batterietechnik, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind von einer Massenproduktion, wie sie vom chinesischen Konzern CATL auch in Deutschland vorgenommen wird, noch weit entfernt.

Individuelle Stromspeicher nach Maß

Noch einmal zurück nach Schleswig-Holstein. In Itzehoe versucht man bei CustomCells auf einem anderen Weg, die Nase im Rennen um die beste Batterie vorne zu haben. Auch bei diesem Unternehmen, an dem inzwischen u. a. BMW beteiligt ist, handelt es sich um eine Ausgründung einer renommierten Forschungseinrichtung, in diesem Fall des Fraunhofer-Instituts für Siliziumtechnologie (ISIT). Der Ansatz von CustomCells: Prälithiierung. In diesem Verfahren wird eine weniger kälteempfindliche Hartkohlenstoff-Anode mit einer lithiumreichen leistungsstarken Kathode kombiniert, was die Kälteempfindlichkeit der Batterien reduziert und die Energie- und Leistungsdichte im Vergleich zu konventionellen Batterien um mehr als das Zehnfache erhöht.

Der Fokus der Energiespeichersysteme von CustomCells liegt zurzeit auf Effizienzgewinnen bei der Produktion von Spezialanwendungen und Kleinserien, die großen Erfolg versprechen, aber (noch) einen Nischenmarkt bedienen. Ob sich diese effizientere Produktionsweise auch auf den Massenmarkt übertragen lässt, bleibt abzuwarten.

Klasse statt Masse?

Bislang hängt die Massenproduktion einsatzfähiger Akkus der neuen Generation also noch bei chinesischen Playern, das Know-how für Spezialanwendungen und die individuelle Konfiguration wird jedoch (auch) in Europa entwickelt.

Über eines also können wir uns nicht beschweren: Dass sich bei der Batterieentwicklung für die Energie- und Antriebswende nicht genug tut. Nur wer den technologischen Kurs bestimmen und vom kommerziellen Erfolg profitieren wird, ist weiterhin offen.

Von Natrium-Ionen-Akku bis zum Feststoffspeicher: Futuristische Batteriefabrik

Von Natrium-Ionen-Akku bis zum Feststoffspeicher: Welche Technologie bei Stromspeichern sich am Ende durchsetzen wird, ist noch vollkommen offen

 

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