24.03.2014 | Redaktion Blog

Außer Kontrolle? – Vom Leben in einer überwachten Welt

Der kleine Plüschhund mit den großen Augen hat es in sich: eine Abhör-Wanze mit Mobilfunk-Sender. Die Ausstellung „Außer Kontrolle? – Leben in einer überwachten Welt“ zeigt, wie Menschen einerseits Kontrolle ausüben und andererseits versuchen, sich davor zu schützen. Auf Einladung des Museums für Kommunikation hat Toll Collect ebenfalls ein Exponat beigesteuert.

Der Plüschhund ist eigentlich ein Babyphone für Eltern, die mal außer Haus gehen wollen, aber man kann damit auch unbedarfte Menschen abhören. Zum Schutz dieser Menschen verbietet das deutsche Telekommunikationsgesetz nicht erkennbare Sender. Der Abhörhund stammt wohl aus China, wie die Kuratoren vermuten, wo der Gesetzgeber selbst gerne kontrolliert. Doch die Überwachung der Kommunikation hat auch in Europa eine lange Tradition. Bereits im 18. Jahrhundert schufen die absolutistischen Herrscher eine nahezu totale Postüberwachung, die sich in den Unruhen des Vormärz im 19. Jahrhundert sogar noch steigerte. Damals wurden so gut wie alle Briefe in sogenannten schwarzen Kabinetten wie am Fließband geöffnet und auf verdächtige Inhalte geprüft. Ein Vorgehen, dass an die Datensammler der NSA erinnert, die ebenfalls einen Platz in der Ausstellung haben. Zumindest für die schwarzen Kabinette steht das historische Urteil fest: Die tatsächliche Staatsgefährdung stand in keinem Verhältnis zum betriebenen Kontroll-Aufwand.

Mautkontrolle und Datenschutz

IMG_5359 Kopie 320Das Exponat von Toll Collect stammt aus seiner eigenen Datenschutzausstellung, denn Datenschutz spielt eine zentrale Rolle bei der Mauterhebung. Die ausgestellte interaktive Präsentation erklärt, wie das Löschkonzept von Toll Collect bei der automatischen Mautkontrolle greift, und zwar an einem beispielhaften Arbeitstag einer Kontrollbrücke bei Freiburg. Von 7.523 überprüften Fahrzeugen bleiben am Ende zehn übrig, bei denen der Verdacht des Mautprellens nicht ausgeräumt werden konnte. Nur deren Daten werden an das Bundesamt für Güterverkehr weitergegeben, in dessen Auftrag Toll Collect die Mautpflicht kontrolliert. Die Behörde geht nun gegen die mutmaßlichen Mautpreller vor. Die Daten aller anderen 7.513 Fahrzeuge werden gelöscht beziehungsweise wurden gar nicht erst gespeichert, weil die Kontrollbrücke sie erkannt hat als nicht mautpflichtig (Pkw, Motorräder, Busse) oder als automatische Mautbezahler mit einer On-Board Unit. Grund für die Zusammenarbeit zwischen Museum und Toll Collect war eine Anfrage der Ausstellungsmacher. Sie wollten zum einen wissen, wie durch technische Lösungen Datenschutzbelange erfüllt werden können, und zum anderen zeigen, wie die Daten Unbeteiligter automatisch aussortiert werden. Die Nutzung neuer Technologien dient also auch zum Schutz persönlicher Daten.

Regeln, Normen, Konventionen

Die Ausstellung geht weit über die Erhebung oder den Schutz von Daten hinaus und zeigt jede Art der Kontrolle. Auch Traditionen, Konventionen und Tabus greifen tief in alle Lebensbereiche ein. Schon von Kindheit an lernen Menschen die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders kennen und meist auch, sie zu befolgen. Was aber für die eine soziale Gruppe normal ist, kann für die andere Frevel sein. In einer offenen Gesellschaft, die nicht von einer unantastbaren Macht gelenkt wird, werden Normen immer wieder neu ausgehandelt. Jeder darf versuchen, seine Regeln durchzusetzen. Doch erst wenn die große Mehrheit dahinter steht, ist sie zu einer Konvention geronnen und braucht keine Hinweis-Schilder mehr wie die Kleiderordnung des Gymnasiums im saarländischen Perl.

Datenschutz Kleiderordnung 550

Überwachung des öffentlichen Raums

Ein anderer Hotspot der Kontrolle sind Straßen und Plätze. Sie dienen nicht nur der Mobilität und dem Wirtschaften, sondern  sind auch Orte des sozialen Austauschs. Hier bilden sich politische Meinungen, es gibt Kundgebungen und Demonstrationen. Außerdem kommt es zu Regelverletzungen etwa im Verkehr und zu Straftaten wie Diebstahl. Um Kontrolle über diese Orte erhöhter Aktivität zu erhalten, beobachten auch demokratische Staaten sie zunehmend. Die Überwachung soll potenzielle Täter abschrecken, weil die Aufdeckung sicher scheint. Der Preis ist, dass alle ständig überwacht werden, und das auch spüren. Wer sich unwohl fühlt, kann sich behelfen mit der Anti-Überwachungs-Kapuze des US-amerikanischen Künstlers Adam Harvey. Die Kapuze aus metallbedampftem Stoff verdeckt das Gesicht, blockiert die Handy-Ortung und vermindert die Wärme-Abstrahlung nach oben – damit Infrarot-Systeme von Dronen den Träger nicht erfassen können.

Die Ausstellung „Außer Kontrolle?“ läuft vom 21. März bis zum 24. August 2014 im Museum für Kommunikation Berlin, Leipziger Str. 16, Berlin Mitte.

Vielen Dank an das Team vom Museum für Kommunikation für die großzügige Unterstützung mit Bildern und Informationen für diesen Artikel.

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