25.02.2020 | Olaf Thiel

Das Kabotage-Dilemma

Transportunternehmer in Deutschland klagen über einen hohen Druck auf die Frachtraten und sinkende Umsätze. Schuld geben viele der Konkurrenz aus Osteuropa. Insbesondere die Kabotage führe angeblich zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. Aber das Problem ist auch hausgemacht.

Lkw aus anderen EU-Mitgliedsstaaten dürfen nur begrenzt Transporte in einem EU-Land fahren – damit sich Speditionen mit Sitz in Billiglohnländern keinen Marktvorteil verschaffen. Ein polnischer Brummi zum Beispiel, der Waren nach Deutschland liefert, darf hier maximal noch drei weitere Binnentransporte durchführen. Erst dann muss er zurück nach Polen. Das nennt man Kabotage. Es ist jedoch verboten, einen leeren Transporter in das Zielland zu schicken, um Aufträge durchzuführen. Mit Kabotage sind Speditionen in der Lage, Leerfahren zu vermeiden. Dadurch steigt das Angebot und der Lkw-Verkehr wird effizienter. So weit die Theorie. In der Praxis nehmen es Transporteure mit dieser Regel aber nicht so genau. Lkw-Flotten aus Ost- und Südosteuropa bleiben monatelang am Stück in Deutschland stationiert. Die Fahrer leben teilweise unter unwürdigen Bedingungen in ihren engen Kabinen am Rande der Autobahnen oder in Gewerbegebieten.

Kabotage wächst und wächst

Nach einer Marktanalyse und Fahrerbefragung des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) aus dem Jahr 2018 nahm die Verkehrsleistung von ausländischen Transportunternehmen im deutschen Binnenverkehr allein von 2016 bis 2017 um über 25 Prozent auf 20,4 Milliarden Tonnenkilometer zu. Damit entfiel fast die Hälfte der Kabotagefahrten in der EU auf Deutschland. Es ist zudem das einzige Land, in dem die Kabotage seit 2007 Jahr für Jahr zunimmt. Am meisten zugelegt haben dabei Fahrzeuge aus den östlichen EU-Staaten. Vor allem polnische Trucks steigerten ihre Transportleistung und sind für über 60 Prozent der Aufträge im Einsatz. Danach folgen Auftragnehmer aus Rumänien, den Niederlanden, Litauen und Ungarn. Die Hälfte der Befragten führten „fünf und mehr“ Kabotagebeförderungen pro Monat durch.

Kontrolle von Kabotage durch das BAG

Das BAG kontrolliert die Kabotage-Richtlinien. Foto: Marc-Steffen Unger

Missbrauch an der Tagesordnung

Bei den deutschen Auftraggebern handelt es sich mehrheitlich um klassische Transport- und Speditionsunternehmen (48 Prozent), in rund 30 Prozent der Fälle sind es Betriebe aus Produktion und Handel wie Amazon. Viele der eingesetzten ausländischen Lkw gehören sogar zu Auslandstöchtern deutscher Speditionen und schaffen sich damit die eigene Konkurrenz. „Kabotage an sich ist nichts Verwerfliches. Das Problem ist der Missbrauch. Der Grundgedanke hinter der Kabotage – der Umweltschutz und die Vermeidung von Leerfahrten – wird heute überhaupt nicht mehr erkannt. Die neuen EU-Staaten empfinden dies ganz anders. Deswegen gibt es auch den tiefen Riss zwischen Nordwest und Südost“, sagte BAG-Präsident Andreas Marquardt kürzlich in einem Interview mit der Deutschen-Verkehrszeitung.

Allein 2016 hat das BAG 1.300 Lkw wegen Verstößen beanstandet und Bußgelder in Höhe von über einer halben Million Euro verhängt. Das klingt nach einer überschaubaren Größe. Doch Branchenkenner gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Das ZDF hat kürzlich eine sehenswerte Dokumentation zum Thema ausgestrahlt, die in der Mediathek abrufbar ist.

EU-Mobilitätspaket verschärft Vorschriften

Lange wurde über eine Reform der Kabotagebeförderung auf EU-Ebene kontrovers diskutiert. Im Januar hat der Verkehrsausschuss der EU die neuen Regelungen gebilligt, die Teil des EU-Mobilitätspakets sind. Das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat müssen den Regelungen noch zustimmen, damit sie in Kraft treten können. Die bestehenden Beschränkungen für die Kabotage sollen beibehalten werden. Auch künftig sind im Anschluss an eine internationale Güterbeförderung maximal drei Beförderungen in sieben Tagen erlaubt. Anschließend tritt eine viertägige „Abkühlungsphase“ bzw. Karenzzeit ein, indem das Nutzfahrzeug im Heimatland bleiben muss. Währenddessen ist eine Kabotage im gleichen EU-Staat verboten. Die Tachografen sollen dazu genutzt werden, um Grenzübertritte zu registrieren und damit Betrug wirksamer zu bekämpfen.

Das neue Regelwerk sieht zudem vor, dass die Zugmaschine alle zwei Monate zum operativen Sitz des Unternehmens zurückkehren muss. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sieht die Einigung positiv: „Im Ergebnis ist mit dem Kompromiss eine gute Grundlage geschaffen worden. Nun ist die Politik gefordert, diese Beschlüsse schnellstmöglich zu bestätigen und anschließend die Umsetzung und Kontrollierbarkeit sicherzustellen“, sagt BGL-Vorstandssprecher Prof. Dirk Engelhardt. Für ihn ist das Paket eine Grundvoraussetzung, um wirksam gegen Sozialdumping und Nomadentum vorzugehen sowie für mehr Wettbewerbsgleichheit zu sorgen und dauerhafter Kabotage einen Riegel vorzuschieben.

Kommentare (3)

Lothar Schmitz
27.02.2020 14:55

Sehr interessant

Klaus-Dieter Kolb
09.04.2020 07:16

Hoffentlich wird das auch kontrolliert!!! Das wäre für das über Jahre gebeutelte Transportgewerbe in Deutschland mal wichtig.Die Preise die mittlerweile auf dem Markt angewendet werden sind leider nicht mehr akzeptabel. Solange man aber die Brennpunkte am Wochenende nicht kontrolliert und vor allem auch die Unternehmer sanktioniert wird sich aber nichts ändern. Wenn vernünftige Frachten gezahlt werden kann auch der Fahrer entsprechend seiner Arbeit bezahlt werden.
Desweiteren sollte man mal die Wartezeiten an den Lade- und Entladestellen angehen die die Unternehmer ohne Bezahlung jeden Tag in Kauf nehmen müssen. Ohne diese wäre der Lkw auch wesentlich effizienter und die Arbeitszeiten der Fahre würden sinken und der Umsatz wäre auch höher.
Dafür sollten sich die Verbände einmal einsetzen und die kleinen Unternehmer mal anhören und nicht die mit großen Flotten. Die kleinen machen die Arbeit und werden immer weiter im Preis gedrückt.

Wilfried Peplinski
10.04.2020 16:20

Und wer überprüft das ? Keiner !! Alles heiße Luft !