Ein junger Mann steht an einem Laptop, hinter ihm ein 3D-Drucker und hält ein fertiges Teil aus dem 3D-Drucker in den Händen.
16.06.2022 | Olaf Thiel

Wie gedruckt: 3D-Druck in der Nutzfahrzeugindustrie

Von komplexen Bauteilen bis hin zur Serienfertigung: 3D-Druck eröffnet der Nutzfahrzeugindustrie vielfältige Möglichkeiten.

Die Nutzfahrzeugindustrie setzt bereits seit vielen Jahren auf 3D-Druck. Namhafte Hersteller verwenden die Technologien schon seit langem für Prototypen oder die Produktion von Ersatzteilen für Lkw. Dadurch können die Unternehmen vor Ort flexibel auf Kundenwünsche und eigenen Ersatzteilbedarf reagieren. Der 3D-Druck beschleunigt die Teileverfügbarkeit erheblich. Außerdem vermeidet er lange Transportwege und Lagerkosten. Gerade in Zeiten volatiler Lieferketten ein immenser Vorteil. Zudem kommt die additive Fertigung beim Bau von Werkzeugen oder Vorrichtungen zur Anwendung. In Zukunft soll sie auch bei der Serienfertigung eine wichtige Rolle spielen.

Den Entwicklern und Ingenieuren steht eine Fülle von Tools, vom Entwurf bis zum gedruckten Bauteil, zur Verfügung. Selektives Laserschmelzen kommt zum Beispiel im Prototypenbereich, der Ersatzteilfertigung und für Fertigungshilfsmittel zum Einsatz. Dabei wird die Geometrie mithilfe eines Lasers Schicht für Schicht aus dem pulverförmigen Kunststoff oder Metall verschmolzen. Laser schmelzen hierbei gezielt die Bereiche, aus denen das Teil entstehen soll. Danach erstarrt das gelaserte Material und der Prozess läuft mit einer neuen Schicht weiter. Lage für Lage wächst das Werkstück.

Früher musste erst ein Prototyp entwickelt und produziert werden – nur um festzustellen, dass das Teil nicht den Anforderungen genügt. Ein immenser Aufwand. Die Modelle aus dem Drucker verkürzen den Prozess enorm. Und satt lediglich auf eine CAD-Zeichnung zu schauen, macht der 3D-Druck Bauteile haptisch erlebbar. Mit dem Teileexemplar in der Hand diskutieren Hersteller, Zulieferer und Kunden auf einer ganz anderen Grundlage und können die Anforderungen an Komponenten besser abstimmen. Die Einzel- oder Musterteile sind also schon verfügbar, bevor die Produktion überhaupt steht. Simultanes Engineering heißt das im Fachjargon. Dadurch verkürzen sich Iterationsschleifen, werden frühzeitig Fehler erkannt und Prozesse und Produkte hinsichtlich Funktionalität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit verbessert. Zugleich schont es Ressourcen.

3D-Druck – bereit für die Serie

Beim Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus sorgt ein übergreifender Arbeitskreis mit rund 30 Mitgliedern dafür, Know-how über die Möglichkeiten des 3D-Drucks im Unternehmen zu verbreiten. MAN verfügt zurzeit über mehrere 3D-Drucker für Bauteile aus Kunststoff. Für den Druck von Metallteilen arbeitet das Unternehmen eng mit Audi zusammen. Derzeit werden vor allem Komponenten für die Bereiche After Sales und Fahrzeugindividualisierung mithilfe des 3D-Drucks realisiert, auch in geringen Stückzahlen. Dazu gehören Thermostatgehäuse oder Resonatoren zur Schalldämpfung. Die Freigabe eines Teils erfolgt erst nach einer genauen Qualitätsprüfung auf Risse, Fehlstellen oder andere Mängel.

Um die Anwendung von 3D-Druckern weiter zu beschleunigen, nutzt MAN die vorhandenen Ressourcen des Mutterkonzerns VW. Hier wird das Thema seit über 20 Jahren vorangetrieben und Erfahrungen und Innovationen in einer konzernweiten Fachcommunity ausgetauscht. Die Technologie soll schon bald in der Serienproduktion eingesetzt werden, um zum Beispiel Teile für das Interieur und Exterieur des Fahrerhauses zu drucken. Sicherheitsrelevante Bauteile sind von solchen Plänen erst einmal ausgenommen. Denn hier ist das Langzeitverhalten noch nicht ausreichend erprobt.

Digitaler Zwilling macht Ersatzteile schnell verfügbar

Daimler Buses ist ebenfalls ein Vorreiter beim industriellen 3D-Druck in der Transportbranche. Die Servicemarke Omniplus hat mittlerweile rund 40.000 Ersatzteile der Marken Mercedes-Benz und Setra als 3D-druckfähig definiert. Derzeit werden 7.000 Teile Schritt für Schritt digitalisiert. Auf diese Weise entsteht ein digitales Ersatzteillager, das kontinuierlich erweitert wird. Das virtuelle Sortiment umfasst beispielsweise Abdeckungen, Abstandshalter, Luft- und Kabelkanäle sowie Steuerelemente. Durch die Daten und individuelle Bauanleitung, dem sogenannten digitalen Zwilling, sowie verschlüsselter Lizenzen, ist es ab Juni 2022 möglich, Ersatzteile auf schnellstem Wege weltweit genau dort zur Verfügung zu stellen, wo aktuell Bedarf ist. So können Flottenbetreiber Ersatzteile mit einem zertifizierten 3D-Drucker selbst herstellen. Durch den lizensierten 3D-Druck vor Ort entfallen aufwändige Bestellvorgänge, Transportprozesse und Wartezeiten. Die flexible Versorgung mit Bauteilen aus der Eigenfertigung ist damit künftig rund um die Uhr möglich. 3D-Druck macht’s möglich.

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