Manuelles Einbuchen am Toll Collect-Mautstellen-Terminal
26.08.2015 | Redaktion Blog

Zehn Jahre Mauerblümchen, das manuelle Verfahren

Maut, Maut, Maut. Offenbar scheint kaum ein anderer Begriff in der Verkehrspolitik uns Deutsche so in Wallung zu bringen, für so viel Diskussionsstoff und für anhaltende Aufregung in den Zentralen der Regierungsparteien zu sorgen.

Ein Gastbeitrag von Birgit Bauer, Chefredakteurin der VerkehrsRundschau.

Wird die geplante Pkw-Maut doch noch EU-konform oder bleibt sie bis zum Sankt-Nimmerleinstag auf Eis? Ist die Ausweitung der Lkw-Mautpflicht für Busse gerechtfertigt oder nicht? Bringt die Absenkung der Lkw-Mautpflicht auf 7,5 Tonnen den Mittelstand wirtschaftlich ins Wanken? Wer weiß. Eins ist jedoch sicher. Mit dem Thema Maut wird’s am Stammtisch nicht langweilig.

Birgit Bauer, Chefredakteurin der VerkehrsRundschau, schreibt im Toll Collect-Blog über das manuelle Verfahren

Birgit Bauer, Chefredakteurin der VerkehrsRundschau

Sachliche Thema gehen da viel zu leicht unter – oder baden. Beim heiß diskutierten Thema Maut gibt es für mich so etwas, wie einen „hidden champion“. Ein Mauerblümchen der Geschichte mit ja ach so vielen juristischen Aspekten. Nein, ich meine nicht den Schiedsgerichtsmarathon zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Vielmehr ist es das sogenannte „Manuelle Verfahren“ der Lkw-Mauterhebung. Ja, die von Medien, Diskussionen und Stammtischparolen ungeliebte oder soll ich besser sagen, unbescholtene, Möglichkeit, seine Maut am Automaten zu entrichten. Klar, Medien-Star OBU (On-Bord Unit), der autoradiogroße Wunderkasten, der die Maut automatisch im Lastwagen erhebt, hat das manuelle Verfahren in den ersten zehn Jahren des Toll Collect-Systems zu einer technischen Randnotiz degradiert. Waren es zu Beginn der Mauterhebung noch gut 30 % der Mauteinnahmen, die über das manuelle Verfahren erzielt wurden, sind es heute kaum mehr als 7 %.

Doch ohne das Mauerblümchen namens manuelles Verfahren ging und geht es nicht. Warum werden Sie jetzt fragen? Erinnern Sie sich kurz an die Argumentation der Europäischen Union gegen die Einführung der Pkw-Maut. In der EU ist jeder gleich zu behandeln, niemand darf durch nationale Alleingänge diskriminiert werden. Ergo, darf auch kein Spediteur oder Frachtführer in der EU durch die Einführung der Lkw-Maut in Deutschland dazu „gezwungen“ werden, sich eine OBU einbauen zu lassen. Somit gestalteten die manuellen Einbuchungsmöglichkeiten über das Internet und die Mautautomaten die Zustimmung in Brüssel und Straßburg zum Home Run.

Oft wurde dem Toll Collect-System eine übertriebene technische Komplexität vorgeworfen. Typisch deutsch eben. Nicht nur hier bedeutet jedoch die technische Umsetzung des politisch Gewollten in juristisch konformer Art und Weise eine gehörige Portion Mehraufwände.

Wer am Mautstellen-Terminal eine manuelle Buchung vornimmt, erhält einen Einbuchungsbeleg

Ein historisches Stück Papier: Der erste Einbuchungsbeleg vom 29. Dezember 2004

So entwickelte und betreibt Toll Collect das einzige Mautsystem in Europa mit zwei volllastfähigen Erhebungsverfahren: automatisch über Satellitenkommunikation und Mobilfunk sowie manuell an rund 3.400 Mautstellen-Terminals. Und das nicht aus technologischer Verspieltheit einzelner Ingenieure und System-Architekten, sondern um den Anforderungen der Politik in allen Belangen gerecht zu werden. Übrigens muss das Mauerblümchen manuelles Verfahren so ausgelegt sein, dass selbst bei einem noch so unwahrscheinlichen Ausfall des automatischen Verfahrens, die ganze Last der Mauterhebung darüber abgewickelt werden kann.

Eine kleine Randnotiz der langen Mautgeschichte soll kurz illustrieren, warum das manuelle Verfahren mein „hidden champion“ des Toll Collect-System ist. Drei Tage vor Tarifwechseln und Strecken-Updates müssen die Mautterminals bereits im neuen Umfang voll funktionstüchtig sein. So wurde das allererste Mautticket kurz nach Mitternacht am 29. Dezember 2004 in Berlin gelöst. Der stumme Zeuge der Maut-Zeitgeschichte hängt heute eingerahmt in einem Büro in der Linkstraße an der Wand. Von vielen unbeachtet markiert er den Beginn der Nutzerfinanzierung in der deutschen Verkehrspolitik.

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